Raff dich, Zeit! – Teil 2

In Teil 1 meines Artikel zu den Zeitrafferaufnahmen ging es um die theoretischen Grundlagen und die Vorbereitung.

Hier möchte ich nun beschreiben, was ich mit meinem Setup erreicht habe und welche Erfahrungen ich gemacht habe.

Alle, die es interessiert, bitte auf “Weiter lesen” klicken. Es ist mal wieder länger geworden. 😉

Standort der Kamera

Die Auswahl des besten Standorts ist theoretisch sehr einfach, in der Praxis aber sehr schwer. Hier einige Auswahlkriterien:

  • Geschützter Standort: je nach Wetterfestigkeit muss der Standort trocken und geschützt sein. Selbst wenn die Kamera regenfest ist, sollte man einen Objektiv-Schutz anbringen, denn Wassertropfen auf dem Objektiv sehen auf dem fertigen Film sehr unschön aus.
  • Stabil: die Kamera sollte nicht aufgehängt oder sonstwoe beweglich montiert werden, denn die Bewegungen – auch leichte Windschwankungen – sieht man später im Film. Bei Zeitraffern sogar mehr als bei normalen Filmen.
  • Stabile Perspektive: möchte man den Film von mehreren Tagen hintereinander schneiden, sollte die Perspektive nicht wechseln, sonst sieht man im Film Ruckler. Also am besten die Stelle genau markieren und Parameter wie Brennweite und Ausrichtung notieren.

Es empfiehlt sich, vor dem Start des späteren Films einige Testaufnahmen anzufertigen und so die Wahl des Standort und die sonstigen Parameter zu überprüfen. Nicht, dass es später unliebsame Überraschungen gibt. 🙂

Ausdauer

Ein wichtiger Punkt ist die Ausdauer beim Aufnehmen.

Die Brinno-Kameras sind dazu ausgelegt, lange zu halten. Dazu schalten sich die Kameras zwischen zwei Aufnahmen automatisch aus. Je nach Aufnahme-Intervall hält damit ein Batteriesatz mehrere Tage bis Monate. Sie eignen sich damit also vorzüglich für Langzeit-Aufnahmen. Viele Aufnahmen mit kurzen Intervallen (5 Sekunden) saugen aber die Batterien innerhalb von 1-2 Tagen leer. Ein Problem ist hier, dass man nicht ohne weiteres erkennen kann, ob die Batterien noch halten oder nicht, denn es gibt keine Zustandsanzeige.

Bei meiner Spiegelreflex-Kamera sah das deutlich anders aus. Bei einem Intervall von 10-12 Sekunden hielt der mitgelieferte Akku ca. 2-3 Stunden. Danach musst ausgewechselt werden. Das führte dazu, dass ich auf der Baustelle ständig einen Akku im Ladegerät hatte und mit dem anderen aufnahm.
Ein anderer Punkt bei Spiegelreflexkameras ist der Verschluss. Das ist ein mechanisches Teil, das bei jeder Aufnahme bewegt werden muss. Typischerweise hält dieses Bauteil ca. 120.000 Aufnahmen lang. Verwendet man nun eine SLR für langfristige Zeitraffervideos, kommen da schnell mehrere Tausend Bilder zusammen, bei mir immerhin ca. 2-000 – 3.000 Aufnahmen pro Tag. Für die gesamte Bauzeit kommen dann leicht 30.000 Aufnahmen zusammen.
Zu einem echten Problem wird das aber wohl erst, wenn man Zeitrafferaufnahmen professionell anfertigt. Ein Hobbyfotograf wird vermutlich niemals die restlichen 90.000 Aufnahmen zusammen bekommen.

Die wichtigste Erkenntnis daraus: genug Akkus vorhalten! Je nach Intervall wird man drei Akkus benötigen, von denen einer in der Kamera steckt und zwei aufgeladen werden. Ein Batteriegriff könnte natürlich auch Wunder wirken.

Speicherplatz

Der benötigte Speicherplatz hängt größteneils von der Auflösung der Kamera ab und mit welcher Qualitätsstufe man die Bilder abspeichert. Ich habe hierfür eine Auflösung von 5 Megapixeln bei mittlerer Qualität gewählt. Dadurch konnte ich auf einer 4GB-Speicherkarte ca. 3.200 Aufnahmen speichern, was bei einem Intervall von 10-12 Sekunden ausreichte, um einen ganzen Tag auf einer Karte zu speichern.

Die Brinnos werden mit einem Speichermedium geliefert, was schon mal sehr bequem ist. Dabei handelt es sich nichtmals um ein Alibi sondern um tatsächlich sinnvoll nutzbare Speicherkarten bzw. -sticks mit 4 GB, die auch noch leidlich schnell sind. Für einen vollen Tag mit 5 Sekunden Intervall verbrauchen die Brinnos ca. 600-700 MB. Das ist zunächst viel, schrumpft beim Transkodieren dann aber recht schnell ein.

Codierung

Videos brauchen Platz. Viiiel Platz.

Nur mal so als Rechenbeispiel: würde man bei einem Film jeden Frame unkomprimiert speichern, wären das in Full HD 1.920 Pixel * 1.080 Pixel * 32 Bit (für die Farbe) = 7,9 MB pro Frame. Pro Sekunde fallen also 197 MB an!
Damit ist klar, dass es zum Handhaben von Filmen ein hoch effizientes Verfahren braucht, diese Daten platzsparend zu speichern.

Warum ich das alles erzähle? Nun, der verwendete Codec ist in gewisser Weise ein Qualitätsmerkmal, das ich bei den Zeitrafferaufnahmen geprüft habe.

Ich kann bei den Ergebnisse zwei Kategorien unterscheiden:

  • Brinno-Kamera
    Die Brinno-Kameras liefern direkt einen fertigen Film. Das ist gut. Weniger gut ist der Codec, der verwendet wird. Das ist nämlich Motion JPEG (MJPEG). Dabei werden die Einzelbilder einfach nur hintereinander gepackt und als Abfolge von Einzelbildern abgespielt, was die schlechtestmögliche Variante darstellt. Eigentlich kann man bei dieser Methode gar nicht von einem “Codec” reden… Andererseits können die Geräte mit ihrer begrenzten Rechenkraft auch kaum etwas anderes liefern.
    Der Nachteil ist jedenfalls, dass die daraus resultierenden Dateien sehr groß werden: pro Sekunde fallen 1,6 MB an.
    Man muss also auf jeden Fall nacharbeiten und transkodieren (das Video mit einem anderen Codec komprimieren), was den Vorteil der fertigen Dateien größtenteils zunichte macht.
  • Eigene Kamera
    Meine eigene Kamera liefert mir eine Reihe von JPGs. Was ich damit mache, bleibt mir selbst überlassen. Insbesondere kann ich bei der Erstellung eines Films selber bestimmen, welchen Codec ich wähle. Nachteil: ich muss das Video komplett selber erstellen und schneiden. Aber so schlimm ist das nun auch wieder nicht, wie sich weiter unten zeigen wird.

Fazit: egal, welches Gerät ich für die Aufnahme auswähle, ich muss nacharbeiten. Die Brinnos verlieren damit aber auch ihr Alleinstellungsmerkmal.
Das beschreibe ich im folgenden Abschnitt.

Workflow

Codieren und Video erstellen (eigene Kamera)

Die Einzelbilder sollen also in ein Video umgewandelt werden. Das geht mit Windows-Bordmitteln bereits ganz gut. Ich habe den Windows Moviemaker verwendet, der den Import von Einzelbildern und das Umwandeln in Videos beherrscht. Einige Dinge muss man allerdings beachten:

  • Bilder im 16:9-Format importieren: der Moviemaker kennt als Ausgabe entweder das 16:9 oder das 4:3-Format. Passt das Format der Bilder nicht zu einem dieser Formate, erzeugt der Moviemaker beim Erstellen des Filmes hässliche schwarze Ränder. Ich habe für meine Videos die Bilder vorab in das 16:9-Format geschnitten.
  • Anzeigedauer manuell eingeben: im Auswahlfeld für die Anzeigedauer kann man keine Dauer kleiner als 1 Sekunde auswählen. Um 10 Bilder in einer Sekunden anzuzeigen, kann man aber manuell “0,1” eingeben.
  • Ausgabeformat sorgfältig prüfen: der Moviemaker kennt sehr viele Möglichkeiten, das Video zu speichern. Ich habe mich für den MPEG4-Codec (.mp4) entschieden, weil dieser sehr gut komprimiert und plattformübergreifend verfügbar ist. Als Bitrate habe ich 4MBit/s ausgewählt, was mehr als ausreichend ist.

Prinzipiell sollten sich aber auch die meisten dedizierten Videoschnittprogramme für das Umwandeln einer Serie von JPGs in Video eignen. Die meisten dürften eine passende Import-Funktion haben. Es könnte nur je nach Lösung etwas mehr oder weniger umständlich sein.

Transkodieren (Brinno)

Die Videos der Brinnokameras müssen nachbearbeitet werden, wenn man sie einem Publikum vorführen möchte. Zum einen um Stellen zu entfernen, an denen nichts passiert und zum anderen, um die Größe der Videos zu reduzieren, wenn man es im Internet präsentieren will.

Dazu kann wie oben den Moviemaker von Windows nehmen oder jedes andere Schnittprogramm der Wahl. Die Größe der Videos lässt sich dadurch um 80-90% reduzieren.

Qualität

Die Qualität beider Lösungen unterscheidet sich sehr stark, was weiters kein Wunder ist.

Die Brinno-Kameras können in keiner Kategorie auch nur annähernd mit einer dedizierten Kamera mithalten:

  • Bildkontrolle
    Jede normale Kamera hat einen integrierten Bildschirm, mit dem man kontrollieren kann, ob das Bild etwas geworden ist. Den Brinnos fehlt solch ein Bildschirm bzw. er ist so klein (TLC 200), dass er kaum zur Kontrolle taugt.
    Das Risiko, das man damit eingeht ist, dass man stundenlang aufnimmt und erst danach feststellt, dass die Bilder nichts taugen oder der Ausschnitt ungünstig liegt.
  • Farbsäume und Verzeichnungen
    Die Brinno-Kameras zeigen, insbesondere bei Gegenlicht, teilweise heftige Farbsäume. Dunkle Kanten in hellen Bereichen werden häufig durch violette Rände gesäumt, die deutlich sichtbar sind. Bei einer DSLR oder anderen Fotoapparaten ist das zwar auch zu beobachten, für gewöhnlich aber in einem Ausmaß, das mehrere Größenordnungen geringer ist.
    Für kurze Zeitrafferexperimente mag das noch funktionieren. Für längerfristig zu erhaltende Erinnerungen ist aber schon zu heftig.
  • Weißabgleich
    Der Weißabgleich (eine weiße Fläche erscheint auch tatsächlich weiß) liegt bei den Brinno-Kameras ebenfalls häufig daneben. Gut gelingen Aufnahmen in Standard-Situationen, wenn es genügend hell ist und das Licht von hinten scheint, es also kein Gegenlicht gibt. In der Dämmerung kommt es dagegen zu spektakulären Fehlfarben. Im Extremfall habe ich bei geschlossener Wolkendecke während der Dämmerungszeit schon türkisfarbene Wolken gesehen.

Beispiele

Beispiele möchte ich hier nicht eigens einbinden sondern auf die Einträge der passenden Tage verweisen. An Tag 1 und an Tag 2 unseres Hausbaus habe ich jeweils Zeitraffer von beiden Kameras eingestellt. Das jeweils erste Video (aus der leicht erhöhten Perspektive, die die Vorderseite des Hauses zeigt) ist mit meiner DSLR erstellt und das jeweils zweite Video stammt von einer Brinno.

Fazit

Das Fazit fällt eindeutig aus!

Möchte man von einem wichtigen Ereignis eine Zeitrafferaufnahme anfertigen, empfehle ich die Verwendung einer dedizierten Kamera. Bildqualität, Handling und Verarbeitung sind in allen Punkten den Ergebnissen der Brinno-Kameras deutlich überlegen.

Einen Einsatz der Brinno-Kameras sehe ich nur in Nischen:

  • Langfristige Aufnahmen (länger als 1 Tag)
  • Situationen, in denen die Kamera unbeaufsichtigt stehen soll (Wertverlust bei potentiellem Diebstahl geringer)
  • Aufstellen der Kamera im Außenbereich (die Brinno-Kameras sind teilweise wetterfest)
  • Keine Vorkenntnisse in Sachen Bild- und Videoverarbeitung vorhanden
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